Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, 12.05.2021
Freilassing. In dritter Generation führt Johann Winkelmair jun. die heute einzige noch selbst produzierende Metzgerei Freilassings. Er ist ein junger Familienvater und hat den Betrieb vor fast 15 Jahren übernommen. Eigentlich dürfte die Pandemie Handwerkern wie ihm in die Hände spielen – schließlich hatte sein Geschäft durchgehend auf und die Menschen kochten mehr daheim. Gleichzeitig hat aber auch seine Branche Auswirkungen zu spüren bekommen. Im Rahmen unserer „Spaziergangs-Serie“ gibt er einen Einblick in die Situation.
Grüß Gott Herr Winkelmair! Viele Gewerbetreibende ächzen unter der Corona-Krise – mit Ausnahme einiger Handwerksbetriebe. Wie sieht es bei Ihnen in der Metzgerei aus?
Johann Winkelmair: Wir bekommen die Krise schon zu spüren durch den Wegfall unseres Caterings und der Schließung der Gastronomie. Wir arbeiten eng mit unseren Gastronomen zusammen und hoffen in ihrem und auch unserem Sinne, dass sie bald wieder öffnen können. Bei Catering-Veranstaltungen konnten wir uns gut mit den Leuten unterhalten und dadurch auch ihre Wünsche erfahren. Manchmal kamen so auch neue Aufträge zustande. Ich finde es schade, dass es diesen persönlichen Kontakt zur Zeit nicht gibt.
„Die Akzeptanz für das Handwerk steigt wieder“
Hat die Krise auch positive Seiten?
Winkelmair: Die Akzeptanz für das Handwerk in der Bevölkerung steigt wieder. Es ist ein Umdenken aufgekommen, Fleisch nicht nur als Sonderangebot wahrzunehmen. Das war ja früher, als es einmal in der Woche den Sonntagsbraten gab, auch so. Während der Corona-Zeit haben die Wertschätzung für die Tiere und die Wichtigkeit von Lebensmitteln wieder zugenommen. Das reicht aber noch nicht.
Warum?
Winkelmair: Es braucht bei vielen noch mehr Wertschätzung für Lebensmittel. Sie sind ein endliches Gut auf dem Planeten und wir sollen nicht verschwenderisch damit umgehen. Mehr Leute sollten darüber nachdenken: „Muss ich so viel einkaufen, oder reicht auch weniger?“ So dass nicht so viel weggeschmissen wird, zum Beispiel, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist. In Freilassing sind wir die letzte selbst produzierende Metzgerei, zumindest als kleiner Familienbetrieb – das ist schon traurig in einer Stadt mit 17000 Einwohnern. Generell sind in Freilassing nicht mehr viele kleine Betriebe vertreten. Deshalb hoffe ich, die Freilassinger noch lange mit meinen regionalen Produkten versorgen zu können.
Finden Sie denn genügend Auszubildende?
Winkelmair: Unser Handwerk hat leider immer noch einen schlechten Ruf von früher, es hat sich aber auch vieles geändert. Denn gerade von der älteren Generation bekommt unser Beruf viel Wertschätzung. Aber auch die Jüngeren kommen wieder darauf, dass sie zum Metzger gehen. Trotzdem befürchte ich schon, dass die kleinen Betriebe alle früher oder später aussterben werden und die Vielfalt an Bäckern und Metzgern dadurch verschwindet. Denn es ist unheimlich schwer, Nachfolger in Produktion oder Verkauf zu finden. Die Hoffnung wird immer da sein, dass es auch nach mir weitergeht, aber das bringt die Zeit.
„Philosophie ist: Tiere aus der Region für die Region“
Woher beziehen Sie Ihre Produkte?
Winkelmair: Wir arbeiten in dritter Generation mit unseren Lieferanten zusammen. Seit Anfang an beziehen wir unsere Rinder von einem Viehhändler in der Lebenau, auch der Schweinemäster in Niederbayern hat schon mit meinem Großvater gearbeitet. Regionales Lammfleisch bekomme ich zum Teil sogar von meinem Bruder. Kurze Wege und wenig Stress für die Tiere sind uns wichtig, das schlägt sich auch in der Fleischqualität nieder. Die Tiere werden alle regional geschlachtet, um möglichst kurze Transportwege zu gewährleisten. Unsere Philosophie ist: Tiere aus der Region für die Region – „Dahoam is dahoam“, so blöd es klingt. Wir leben da, wo andere Urlaub machen. Dann müssen wir auch dafür sorgen, dass es so bleibt, und es muss auch nicht immer alles zur Verfügung sein. Die Tiere sind Lebewesen, die bei uns auf dem Teller landen, um uns zu ernähren. Das gehört geachtet.
Vielen Menschen reicht das nicht – für sie ist die Fleischproduktion und der Konsum klimaschädlich, andere verzichten aus ethischen Gründen.
Winkelmair: Das ist auch in Ordnung, und das muss jeder selber wissen. Es gibt aber auch Menschen, die einfach weniger Fleisch konsumieren wollen und auch für die wollen wir Angebote schaffen. So haben wir sogenannte Flexitarier-Würste aus 60 Prozent Fleisch und 40 Prozent Gemüse im Angebot. Die machen optisch und vom Geschmack etwas her. Du bist heute kein reiner Fleischhandel mehr, es geht auch um die Kundenwünsche, die erfüllt werden sollen. Was die Philosophie angeht – ich brauche auch nicht jeden Tag Fleisch, eine ausgewogene Ernährung hält meinen Körper gesund.
Es spazierte Julian Traublinger.
Johann Winkelmair ist 37 Jahre alt, verheirateter Vater zweier Töchter und in dritter Generation Metzger. Schon von Kindesbeinen an hat er auch täglich im elterlichen Betrieb mitgeholfen. Seine Ausbildung hat er allerdings nicht zu Hause absolviert, sondern in Österreich – bei sechs verschiedenen Betrieben. Im Anschluss hat er seinen Meisterbrief gemacht und den Betriebswirt bei der Handwerkskammer drauf gesattelt. Seine Entscheidung hat er nie bereut: „Es macht Spaß und mir liegt viel an der Wertschätzung von Lebensmitteln.“ Dies möchte er allen Leuten nahe bringen, denn diese Einstellung werde heutzutage viel zu sehr vernachlässigt.